Früher wurde der Begriff „barrierefrei“ oft mit einem klinischen, unpersönlichen Design und dem Stigma von Krankheit oder Alter in Verbindung gebracht. Doch dieses Denken ist grundlegend überholt. Heute steht barrierefreies Bauen für ein universelles Designkonzept, das den Wohnkomfort und die Lebensqualität für absolut jeden erhöht – und das in jeder Lebensphase.
Es geht darum, Lebensräume zu schaffen, die von Natur aus komfortabel, sicher und ohne Hindernisse nutzbar sind. Davon profitiert nicht nur die Seniorin mit dem Rollator, sondern auch die junge Familie mit dem Kinderwagen, der Sportler mit einem Gipsbein oder der Hausherr, der schwere Einkaufskisten ohne Stolperfallen ins Haus tragen möchte. Barrierefreiheit ist somit kein Nischenthema mehr, sondern ein Qualitätsmerkmal für hochwertige, durchdachte und vor allem wertstabile Architektur. Dieser Artikel beleuchtet die wichtigsten gesetzlichen Vorgaben und zeigt, wie moderne Designtrends Barrierefreiheit und anspruchsvolle Ästhetik elegant miteinander verbinden.
Das Wichtigste in Kürze
- Gesetzliche Grundlage: Die zentrale Norm für barrierefreies Bauen in Deutschland ist die DIN 18040. Sie ist in den Landesbauordnungen verankert und in vielen Bereichen des Neubaus, insbesondere bei öffentlich zugänglichen Gebäuden und Mehrfamilienhäusern, gesetzlich verpflichtend.
- Universelles Design für alle: Moderner barrierefreier Bau ist nicht für eine Zielgruppe, sondern für alle Menschen konzipiert. Er steigert den Komfort, die Sicherheit und die Flexibilität für jede Lebensphase und jede körperliche Verfassung.
- Wertsteigerung und Förderung: Barrierefreie Immobilien sind zukunftssicher, lassen sich leichter vermieten und erzielen einen höheren Wiederverkaufswert. Zudem wird der barrierefreie Um- und Neubau durch staatliche Programme, wie die der KfW-Bank, finanziell gefördert.
Die rechtliche Dimension – Was der Gesetzgeber vorschreibt
Während der Wunsch nach Komfort eine persönliche Entscheidung ist, sind die grundlegenden Anforderungen an barrierefreies Bauen in Deutschland klar geregelt. Die entscheidende technische Richtlinie ist hier die DIN 18040 „Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen“. Diese Norm ist zwar an sich nur eine Empfehlung, wird aber durch ihre Verankerung in den Landesbauordnungen (LBO) der Bundesländer zur rechtlich bindenden Vorschrift.
Die Norm unterteilt sich in zwei für Bauherren relevante Teile:
- DIN 18040-1: Gilt für öffentlich zugängliche Gebäude.
- DIN 18040-2: Definiert die Anforderungen für Wohnungen und Wohngebäude.
Zu den Schlüsselanforderungen für barrierefreies Wohnen nach DIN 18040-2 gehören unter anderem:
- Schwellenlosigkeit: Alle Zugänge zur Wohnung und zu den Terrassen/Balkonen sowie alle Übergänge zwischen den Räumen müssen ohne Stufen oder Schwellen passierbar sein. Eine maximale Höhe von 2 cm darf nicht überschritten werden.
- Bewegungsflächen: In entscheidenden Bereichen wie dem Flur, der Küche und dem Bad müssen ausreichend große Bewegungsflächen für Rollstuhlfahrer vorhanden sein. Das Standardmaß ist hier ein Wendekreis von 150 cm x 150 cm.
- Türbreiten: Türen müssen eine lichte Durchgangsbreite von mindestens 80 cm, für Rollstuhlfahrer sogar 90 cm, aufweisen.
- Das barrierefreie Bad: Hier sind die Vorgaben besonders detailliert. Eine bodengleiche Dusche mit einer Mindestfläche von 120 cm x 120 cm (für Rollstuhlfahrer 150 cm x 150 cm) ist Pflicht. Neben dem WC müssen seitliche Bewegungsflächen freigehalten werden, um ein späteres Nachrüsten von Stützklappgriffen zu ermöglichen.
Für Neubauten von Mehrfamilienhäusern schreiben die Landesbauordnungen in der Regel vor, dass alle Wohnungen barrierefrei erreichbar und ein bestimmter Prozentsatz der Wohnungen komplett barrierefrei nach DIN 18040-2 ausgeführt sein müssen.
Barrierefreiheit als Komfort- und Design-Trend
Die gute Nachricht ist: Was das Gesetz fordert, deckt sich immer mehr mit den Wünschen an modernes und hochwertiges Wohnen. Barrierefreiheit und gutes Design sind längst keine Gegensätze mehr.
Trend 1: Das bodengleiche Duschbad als neuer Luxus-Standard
Die bodengleiche, oft als „Walk-in-Dusche“ bezeichnete Dusche ist aus der modernen Badgestaltung nicht mehr wegzudenken. Sie ist kein Kompromiss, sondern ein Statement. Große Fliesen, die vom Badboden nahtlos in den Duschbereich übergehen, schaffen eine enorme optische Weite und ein Gefühl von Luxus. Zudem ist sie deutlich einfacher zu reinigen und bietet unvergleichlichen Komfort – in jedem Alter.
Trend 2: Offene Grundrisse und fließende Übergänge
Die Anforderungen der Barrierefreiheit – breite Türen, keine Schwellen, großzügige Bewegungsflächen – unterstützen perfekt den allgemeinen Architekturtrend zu offenen, lichtdurchfluteten Grundrissen. Ein barrierefreier Grundriss wirkt von Natur aus großzügiger, luftiger und kommunikativer. Die schwellenlose Verbindung von Wohnbereich und Terrasse im Sommer wird so zum gelebten Alltagskomfort.
Trend 3: Smarte Technik, die mitdenkt (Ambient Assisted Living)
Die Digitalisierung bietet enorme Potenziale für barrierefreies Wohnen. Unter dem Stichwort „Ambient Assisted Living“ (AAL) fasst man technische Assistenzsysteme zusammen, die den Alltag sicherer und komfortabler machen. Das reicht von per Sprache oder App steuerbaren Rollläden, Leuchten und Heizungen über sensorgesteuerte Nachtlichter, die den Weg zum Bad ausleuchten, bis hin zu smarten Türschlössern mit Videofunktion, die die Sicherheit erhöhen.
Sanierung und Umbau im Bestand – Vorausschauend planen
Nicht jeder baut neu. Gerade im Bestand liegt ein riesiges Potenzial, um den Wohnkomfort für die Zukunft zu sichern. Eine vollständige Barrierefreiheit nach DIN-Norm ist hier oft nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu erreichen. Das Ziel heißt daher meist „Barrierearmut“.
Bei einem altersgerechten Umbau sollte man Prioritäten setzen. Die mit Abstand wirkungsvollste Maßnahme ist der Umbau des Badezimmers mit dem Einbau einer bodengleichen Dusche. Weitere wichtige Schritte sind die Beseitigung von Türschwellen, die Verbesserung der Beleuchtung und das Anbringen von zusätzlichen Handläufen. Ein vorausschauender Tipp: Wenn Sie das Bad sanieren, lassen Sie die Wände im Dusch- und WC-Bereich verstärken. So können später bei Bedarf jederzeit und ohne großen Aufwand stabile Haltegriffe nachgerüstet werden.
Wichtig zu wissen: Der Staat unterstützt solche Maßnahmen finanziell. Die KfW-Bank bietet mit ihrem Programm „Altersgerecht Umbauen“ (z. B. Zuschuss 455-B) attraktive Zuschüsse für barrierereduzierende Umbauten – und das unabhängig vom Alter des Antragstellers!
Fazit
Barrierefreies Bauen und Wohnen ist endgültig aus seiner Nische herausgetreten. Es ist zum Synonym für vorausschauende Planung, hohen Komfort und intelligentes Design geworden. Ein barrierefreies Zuhause passt sich den wechselnden Bedürfnissen seiner Bewohner an und nicht umgekehrt. Wer heute, ob im Neubau oder in der Sanierung, in Barrierefreiheit investiert, investiert nicht nur in die langfristige Marktfähigkeit und den Wert seiner Immobilie, sondern vor allem in die eigene, uneingeschränkte Lebensqualität für alle kommenden Jahre
